Bei der Einladung wusste er sofort: "Da will ich hin!" Im Stuttgarter Untergrund, nahe beim Flughafen, steht Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) in einer Tunnelröhre und hält eines von elf Grußworten. Anlass für die Feierlichkeiten ist der letzte Tunneldurchschlag für Stuttgart 21, knapp 60 Kilometer sind im Untergrund gebohrt und der Durchbruch der finalen Zentimeter hat einige Politprominenz gelockt. Wissing hält S 21 für "ein wunderbares Infrastrukturprojekt, das in die Zukunft weist und die Menschen verbindet", glaubt "die Menschen lieben die Bahn" und meint, "der neue Tiefbahnhof hat das Zeug, architektonisch weit über unsere Landesgrenzen hinaus zu strahlen". Es würde ihn jedenfalls nicht wundern, wenn Tourist:innen bald aus aller Welt anreisen, um den Bahnhof zu bestaunen, "wenn er zu einem dieser Bahnhöfe wird, die man im Leben einmal gesehen haben muss wie die Grand Central Station in New York oder der Hauptbahnhof Antwerpen".
Noch dicker trägt Herald Ruijters auf, anwesend als Vertreter der Europäischen Kommission. Der Direktor für Investitionen, Innovativen und Nachhaltigen Verkehr sieht im Stuttgarter Bahnknoten einen Garant für die Zukunftsfähigkeit des Kontinents: "Die neue geopolitische Lage im Osten Europas zeigt, wie sehr solche Projekte und Investitionen notwendig sind, um Europa besser zu vernetzen." Das Gelingen zeige, "dass unser Kontinent sehr wohl in der Lage ist, in so schwierigen Zeiten zu bestehen".
Und dann ist da Frank Nopper. Der Stuttgarter Oberbürgermeister (CDU) ist weniger gravitätisch als seine Co-Redner, dafür um Welten origineller. Er will sich kurzhalten, weil nach texanischem Gewohnheitsrecht ab dem fünften Grußwort geschossen werden dürfe, sagt er anfangs. Und von der Beobachtung, dass für S 21 acht Tunnel gebaut worden sind, assoziiert Nopper los und nimmt uns mit auf eine Reise durch die Kulturgeschichte der Acht. "In Vorderasien und China gilt die Acht als die Glückszahl schlechthin, weswegen dort viele Paare am 8.8. heiraten. Das Rad der Fortuna wird oft mit acht Speichen porträtiert. Im christlich-jüdischen Glauben steht die Acht für Rettung und Auferstehung ... ." Und so geht das noch eine ganze Weile weiter, bis Nopper den Kreis schließt: "Und seit heute steht die Acht auch für die Zerstreuung und Widerlegung von Zweifeln", denn trotz vieler Unkenrufe sei "unser wunderbares Stuttgarter Mineralwasser unversehrt geblieben" und die Tunnels fertig. Die Anwesenheit von zwei Verkehrsministern nutzt Nopper dann noch für einen Appell: "Sankt Nimmerlein darf nicht zum Schutzpatron des Neckarschleusenausbaus werden!", ruft er unter vereinzeltem Beifall.
Zehn Herren und eine Dame
Neben Wissing ist auch Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) vor Ort und versichert pflichtschuldig, dass sie im Ministerium "heute richtig froh und freudig" seien, "dass wir diesen Durchbruch haben". Auch wenn es den – "mit Verlaub" – schon etwas früher hätte geben dürfen. Im Jubelchor der Festredner hebt Hermann als einziger hervor, dass es noch vier Jahre dauern wird, bis im gerade gefeierten Tunnel der erste Zug rollt. Der Grüne betont, dass eine Mehrheit bei der Volksabstimmung für das Projekt gewesen sei, sie es im Ministerium kritisch begleitet hätten. "Und ich glaube, wir können mit Fug und Recht sagen, wir haben dieses Projekt weiterentwickelt. Wenn es fertig ist, ist es nicht mehr das Projekt, als das es angefangen hat." Er zollt den Mineuren Respekt, die hier großartige Arbeit in sensiblem Gestein geleistet hätten. Kritik sei aber immer wichtig und führe auch zu Verbesserungen. So habe etwa die Panoramabahn gerettet werden können und insgesamt hofft Hermann, auf diesem Weg "ein Stück Versöhnung mit den Kritikern erreicht zu haben, weil man hier sieht, dass man was verändern kann".
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