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Demo gegen Kopp-Verlag

Die Giftküche im Hinterland

Demo gegen Kopp-Verlag: Die Giftküche im Hinterland
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 Fotos: Joachim E. Röttgers 

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Datum:

Der Kopp-Verlag in Rottenburg am Neckar publiziert seit 30 Jahren Esoterik und rechte Verschwörungstheorien. Am Samstag radelten Demonstrant:innen von Tübingen nach Rottenburg, um aufzuklären.

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"Fahrradhelme statt Aluhüte!" steht auf einem Transparent. Es hängt an einem Kleinlaster, der bestückt ist mit Lautsprechern. Dahinter setzt sich ein Pulk aus Radfahrer:innen in Bewegung. Am Samstagnachmittag geht es von Tübingen nach Rottenburg bei der Fahrraddemo gegen den Kopp-Verlag. Der hat seinen Sitz ebendort, wurde vor 30 Jahren gegründet und verlegt ein Sammelsurium fragwürdiger Publikationen mit deutlichem Rechtseinschlag. Ziel der Aktion ist es, den gefährlichen Unfug, der in Rottenburg seelenruhig und mit großem Erfolg produziert wird, ins Bewusstsein zu rücken und Widerstand zu wecken – denn der fehlt, vor allem seitens der Stadt Rottenburg.

Organisiert wurde die Demo von "Stoppt Kopp", einer Tübinger Initiative, auch Rottenburger:innen sind an Bord. 42 Gruppen aus Tübingen, Reutlingen und Umgebung haben im Vorfeld einen Aufruf gegen Kopp unterschrieben – darunter die Grünen, die Linke, Fridays for Future, die GEW, die DGB-Jugend, Menschenrechtsorganisationen, Kulturvereine, Wohnprojekte. Rund 100 Radler:innen sind es, die am Samstag gegen 14.30 Uhr in der Tübinger Karlstraße anrollen, eine Stunde später in Rottenburg ankommen. Polizeiaufgebot begleitet die Demonstration.

Stationen in Rottenburg sind der Platz vor der städtischen Zehntscheuer, das Kopp-Verlagsgebäude, zuletzt der Marktplatz der Stadt. Die Demonstrant:innen begegnen Bürger:innen, die ihr Anliegen unterstützten, erleben aber auch Anfeindungen. Vor dem Verlagsgebäude treffen sie Mitarbeiter:innen von Kopp an, zu Gesprächen kommt es dort nicht. "Wir haben keinen Kontakt gesucht, wir wollen keinen Austausch mit dem Verlag", sagt ein Sprecher der Demonstrant:innen. "Wir wollen kritische Aufmerksamkeit auf den Verlag lenken und ein Protestangebot schaffen."

Vom Polizisten zum Verleger

Jochen Kopp war Polizist, ehe er in Rottenburg seinen Verlag gründete. Die Geschichte des Kopp-Verlags lässt sich lesen als eine mittelständische Erfolgsgeschichte und nahezu analog als Geschichte der zunehmenden Verbreitung nebulöser esoterischer Vorstellungen und Verschwörungstheorien, die sich um eine Abgrenzung nach rechts gar nicht mehr bemühen.

Im Programm des Verlags finden sich Bücher, die den Ufo-Glauben feiern – Erich von Däniken ist mit etlichen Titeln vertreten –, Bücher, die sich gegen die sogenannte Schulmedizin stellen, Bücher, die für alle Probleme der Welt sehr einfache, infantile Erklärungsmodelle zur Verfügung stellen, auch für politische Fragen. Neben Mystery-Romanen stehen Bände der vorgeblichen Lebenshilfe. Ratgeber der Prepper-Szene finden sich neben politischen Pamphleten von Autor:innen wie Thilo Sarrazin ("Feindliche Übernahme"). Der 2017 verstorbene Udo Ulfkotte, Rechtspopulist, Verschwörungstheoretiker, Islamfeind, veröffentlichte exklusiv bei Kopp. Viele Autor:innen des Verlags weisen enge Verbindungen zur AfD auf.

Kopp wehrt sich allerdings gegen den Vorwurf, ein Verlag der Rechten zu sein – das wissen die Demonstrant:innen. Sie wissen aber auch, dass der Verlag gerne in einschlägig rechten Publikationen für seine Produkte wirbt und diese Szene somit unterstützt. "Wir bewerten den Kopp-Verlag als einen wichtigen Knotenpunkt im rechten Netzwerk. Ob der Verlagsleiter dabei eher ideologisch oder eher ökonomisch motiviert ist, ist nachrangig", erklärt eine Rednerin zu Beginn der Demonstration. Thematisiert wird auch, dass Kopp, mutmaßlich äußerst lukrativ, Bücher und Artikel der sogenannten Alternativmedizin auf den Markt bringt, die Menschen mit tatsächlich schweren Krankheiten nicht nur zur Kasse bitten, sondern auf lebensgefährliche Weise täuschen.

Ufo-Fans halten den Klimawandel für einen Mythos

Mit ihrem Auftreten an zentralen Standorten in Rottenburg macht die Demonstration aufmerksam auf Inhalte und Verquickungen: "Der Kopp-Verlag ist ein wichtiger Finanzier und Lieferant der extremen Rechten und der verschwörungsideologischen Szene. Er ist beides: Brandstifter und Profiteur im Sinne eines Brennstoffverkäufers."

Antonia Sachs aus Tübingen spricht vor der Rottenburger Zehntscheuer für Fridays for Future. Sie zitiert Kopp-Veröffentlichungen, in denen von skrupellosen Geschäftemachern und NGOs die Rede ist, die die Fäden hinter dem Klimaprotest ziehen würden, der UN-Klimarat als geradezu kriminelle Vereinigung dargestellt wird, Klimaaktivist:innen des Kommunismus bezichtigt werden, in denen vor einer kommenden Klimadiktatur gewarnt wird. "Es gibt unglaublich viele Publikationen des Kopp-Verlags, die über eine Panikmache vor der Klimakrise sprechen, von Klimaterror und dem 'Mythos Klimakatastrophe'. Die Klimabewegung wird hier als Feindbild aufgebaut. Gesellschaftliche Spannungen werden verschärft, dass Menschen unterschiedlicher Meinungen im Dialog bleiben, wird verhindert."

Am späten Nachmittag dann endet die Demonstration auf dem Rottenburger Marktplatz mit Blick auf Rathaus und Martinsdom. Für Albert Bodenmiller, den letzten Redner, spielen diese beiden Bauwerke eine wichtige Rolle: Er beklagt, dass weder die bürgerliche noch christliche Gemeinde in Rottenburg Stellung gegen Kopp beziehen.

Bodenmiller gehörte als Vorsitzender der Fraktionsgemeinschaft BFH Bürgerfreundliche Heimat/Die Linke dem Rottenburger Gemeinderat an, nahm vor 13 Jahren den Kampf gegen Kopp auf und eckte an. 2011 plante Kopp ein größeres Grundstück im Stadtgebiet aufzukaufen. Bodenmiller stelle sich im Gemeinderat quer, ohne Erfolg. "Es gab eine enge Verbindung zwischen Kopp und der Stadt", sagt er auf dem Rottenburger Marktplatz. "Der Projektleiter für den Neubau war ein wichtiger CDU-Mann. Kopp sponserte außerdem die Volleyballmannschaft des TVR, des mächtigsten Vereins in der Stadt."

Die Stadt meidet eine Konfrontation

Bodenmiller fühlte sich "verloren vis-à-vis dieser Machtzusammenballung", Kopp seinerseits klagte über finanzielle Verluste, die ihm durch Bodenmillers Kampagne entstanden seien, und zog sich aus dem Sportsponsoring zurück. "Das hat einen Sturm aus Hass und Wut auf mich entfesselt", sagt Bodenmiller. Er versteht sich selbst als Katholik, tritt ein für einen im Grunde konservativen Wertekanon, wendet sich aber entschieden gegen einen Verlag, in dessen Programm er Schriften findet, die, wie er sagt, "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit propagieren, sich gegen Menschen anderer Hautfarbe oder sexueller Orientierung wenden".

Die Kritik des früheren Stadtrates wendet sich dabei vor allem auch gegen Stephan Neher, den CDU-Oberbürgermeister Rottenburgs. Neher, so Bodenmiller, übergab 2017 den Eugen-Bolz-Preis der Stadt Rottenburg an Angela Merkel in Anerkennung ihrer Leistungen in der Flüchtlingskrise. "Aber er hat nicht den Mut auszusprechen, dass der Kopp-Verlag gegen Flüchtlinge hetzt." Als CDU-Politiker grenze sich der Rottenburger Oberbürgermeister laut Bodenmiller von der AfD ab, gegen Kopp beziehe er jedoch keine Position: "Das ist ein kaum zu ertragender Widerspruch." Auch Gebhard Fürst, dem emeritierten Bischoff der Diözese Rottenburg-Stuttgart, wirft er vor, zum Thema konsequent geschwiegen zu haben.

Für Albert Bodenmiller ist der Widerstand gegen Kopp nicht zuletzt auch Beispiel "dafür, wie der Kampf gegen den Rechtsradikalismus in einer solchen Stadt geführt werden kann und wo die Schwierigkeiten liegen". Und er sagt: "Ich habe nie verlangt, dass ein Buch verboten wird. Aber auch für mich gilt der Artikel 5: Ich habe das Recht zu sagen, welches Gift in diesen Büchern steckt, es beim Namen zu nennen und davor zu warnen."

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4 Kommentare verfügbar

  • Gerald Wissler
    vor 2 Wochen
    Antworten
    Ganze 100 Demonstranten, das sind ja mehr als zwei für jede der 42 Organisationen, die zu dieser Aktion aufgerufen haben.
    Und wieviele kamen jetzt direkt aus Rottenburg, außer dem so prominent im Artikel hervorgehobenen Herrn Bodenmiller ?
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