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Wohin mit Andi?

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Normalerweise können alte Verkehrsminister weiterverwertet werden, mit etwas Glück bringen sie es noch zum Lobbyisten. Unvergessen ist Matthias Wissmann (CDU), der nach fünf Jahren im Kabinett von Helmut Kohl (CDU) zum Präsident des Verbands der Automobilindustrie aufstieg, dem vielleicht einflussreichsten Interessenverband der Republik. Ein vergleichbarer Karrieresprung wäre im aktuellen Fall aber wahrscheinlich zu viel verlangt: Denn wer zur Hölle soll sich Andreas Scheuer (CSU) leisten können? Auf der Habenseite kann der Gaudi-Bursche zwar verbuchen, die Deutsche Bahn mindestens ebenso stark sabotiert zu haben wie seine Vorgänger im Amt. Zudem konnte er als Minister ganze 80 Treffen mit Fürsprecher:innen der Automobilindustrie einrichten, während Umweltorganisationen mit nur einem Gespräch im gleichen Zeitraum auf ihren Platz verwiesen wurden. Und dennoch scheint zweifelhaft, ob Daimler oder BMW Erbarmen haben werden. Als Geldverbrennungsmotor ist der Mann einfach zu effizient.

243 Millionen Euro hat Scheuer auf Kosten des Allgemeinwohls verpulvert, obwohl Expert:innen früh genug warnten, dass seine geplante "Ausländer-Maut" gegen EU-Recht verstoße. Am Montag machte nun die Meldung die Runde, dass der verantwortliche Minister sein Bundestagsmandat zum Monatsanfang niederlegt. Die Deutsche Presseagentur hat extra dazugeschrieben, dass es sich nicht um einen Aprilscherz handelt – und verriet damit viel über die Größe von Scheuers politischem Vermächtnis. Sein Rückzug aus dem Bundestag ist das vermutlich größte Geschenk, das er Steuerzahler:innen in seiner Laufbahn bereitet hat: Da sein freigewordener Platz nicht nachbesetzt wird, entlastet der Schritt die Republik um monatlich 10.591,70 Euro, die ansonsten als Abgeordnetenentschädigung anfielen. Noch erleichternder ist, dass Scheuer zumindest im Bundestag keinen Schaden mehr anrichten kann.

Doch wo wird er nun sein Wirken fortsetzen? Vielleicht ist Andreas Scheuer waffenfähig: Wenn es etwa dem FC Bayern gelänge, ihn irgendwie bei Leverkusen einzuschleusen, wäre die Meisterschaft nächstes Jahr wieder sicher. Wahrscheinlich aber ist der Plan zu durchschaubar. Gründer werden? Immerhin hatte Scheuer ja angeblich gute Kontakte zu dem bestens vernetzten Start-up Augustus Intelligence. Das auf KI spezialisierte IT-Unternehmen aus den USA suchte ab 2018 intensiven Kontakt zur deutschen Politik. Die CDU-Nachwuchshoffnung Philipp Amthor, die ihr Bundestagsmandat bis heute behalten hat, bekam Aktienoptionen im Wert von 250.000 US-Dollar und lobbyierte aus dem Parlament heraus für den Konzern – der inzwischen allerdings insolvent ist. Wie so viele ambitioniert gestartete Jungunternehmen.

Es ist aber auch wirklich nicht leicht. Da steht die Wirtschaft schon am Rande einer Rezession und dennoch bleiben die Chancen für grünes Wachstum der besonderen Art ungenutzt: Im Gegensatz zu den USA, wo binnen kürzester Zeit eine boomende Hanfindustrie entstand, soll der Cannabisverkauf in Deutschland nicht-kommerziell bleiben. Na toll. Auch dieses Geschäftsmodell hat uns der regulierungswütige Überstaat ruiniert, bevor es entstehen konnte.

Doch selbst wenn es formal erlaubt wäre, mit Marihuana reich zu werden, würde das für den armen Scheuer wohl nur noch mehr Liebesentzug bedeuten. CSU-Chef Markus Söder zum Beispiel wird nicht müde, in Bierzelten vor dem Teufelskraut zu warnen. "Keine Macht den Drogen!", sagt er, behauptet aber zugleich: "In Bayern darf jeder feiern, wie er mag." Da muss man keine Joints rauchen, um verwirrt zu sein. Dass man es jetzt aber kann, ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen, ist fast so schön wie ein Bundestag ohne Andreas Scheuer.

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