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Rechte Reflexe

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Es war so vorhersehbar wie das hochschnellende Bein, wenn der Doktor mit dem Hämmerchen aufs Knie klopft: Zack – "Correctiv" ist ein Staatsmedium. Zack – die Enthüllungen zu rechten Deportationsfantasien verwischen die Grenze zwischen Journalismus und Aktivismus. Alles erwartbare Reflexe, weil die Recherchen der Kolleg:innen einen Nerv getroffen haben. Endlich haben viele Menschen begriffen, dass sie ihre Stimme erheben und auf die Straße gehen müssen. Endlich diskutiert die CDU Parteiausschlussverfahren etwa gegen den Besitzer des Landhauses in Potsdam. Endlich haben viele erkannt, dass die AfD eben keine normale Partei ist. Journalismus soll die Welt besser machen? Auf jeden Fall, sonst ist er sinnlos. Wir brauchen Watchdogs heute dringender denn je. Manchmal auch Terrier, die an den Themen dranbleiben.

Und auch das haben die "Correctiv"-Enthüllungen gezeigt: Was Journalismus für das Gemeinwohl bewirken kann. Das ist eine Ermutigung für alle, die für die Anerkennung des gemeinnützigen Journalismus' als dritte Säule neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Verlegerpresse in die Bütt gehen. Wie wichtig der Non-Profit-Journalismus ist, schreiben wir nicht zum ersten Mal, siehe hier und hier. Sorry, wäre uns auch lieber, der gemeinnützige Journalismus stünde schon längst in der Abgabenordnung neben Bridge- und Modellflugspielereien, die anerkannt gemeinnützig sind. Ist aber nicht so, obwohl es die Ampel im Koalitionsvertrag versprochen hat. Eine journalistische Recherche wie der "Geheimplan gegen Deutschland" erzielt keinen Profit, aber einen gesellschaftlichen Mehrwert. Wir brauchen Rechtssicherheit für diese Projekte, gerade für kleine, die auf Spenden angewiesen sind. Gerade in diesem Jahr der wichtigen Wahlen. Also endlich rein damit in die Abgabenordnung!

Zumal die Rechten längst eine Medienstrategie entwickeln. Auch das war ein Thema, das beim Potsdamer Geheimtreffen diskutiert wurde: Sie arbeiten an einer Musterklage gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und an einer Influenceragentur, wie jüngst "Correctiv"-Chefredakteur Justus von Daniels in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk berichtete. In den ostdeutschen Bundesländern haben rechte Publizist:innen bereits einige regionale Anzeigenblätter gekapert, wie die "Zeit" vor wenigen Tagen meldete. In kostenlosen Blättern wie "Neues Gera", "Südthüringer Rundschau" oder "Der Kurier" verbreiten sie ihre Ideen, die AfD schaltet Anzeigen. Eine Win-win-Situation vielleicht für Verleger und AfD, nicht jedoch für die Demokratie. Noch ein Grund, sich für Non-Profit-Journalismus starkzumachen. 

Medienschaffende sollten immer für die Freiheit der Medien eintreten. Und damit sind wir – auch das nicht zum ersten Mal – bei Julian Assange. Bereits seit zehn Jahren ist der langjährige Wikileaks-Chef weggesperrt. Zuerst in der ecuadorianischen Botschaft in London, dann im englischen Hochsicherheitsknast Belmarsh. Dort wartet der inzwischen 52-Jährige immer noch auf eine Entscheidung, ob er an die USA ausgeliefert wird. Was den Mann, der amerikanische Kriegsverbrechen öffentlich gemacht hat, dort erwartet, ist bekannt: Bis zu175 Jahre Gefängnis. Für die Wahrheit. Herta Däubler-Gmelin empört das seit vielen Jahren: "Ohne Whistleblower, Recherchen und Veröffentlichungen könnten weder Verantwortliche in Regierungen noch in Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden", schrieb die ehemalige Bundesjustizministerin zur Verteidigung von Assange in Kontext. Die SPD-Politikerin setzt sich vehement für Freilassung und Asyl für den australischen Journalisten ein. Am 21. und 22. Februar, so schreiben dessen Unterstützer:innen, soll am Londoner High Court eine weitere Anhörung geplant sein. Es bleibt die Hoffnung, dass eine Auslieferung verhindert werden kann. 


Transparenzhinweis: Kontext-Mitgründerin Susanne Stiefel sitzt im Vorstand des Forum Gemeinnütziger Journalismus.

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3 Kommentare verfügbar

  • Gerald Wissler
    am 19.02.2024
    Antworten
    Es ist kein rechter Reflex, wenn man auf der Correctiv-eigenen Homepage nachlesen kann, daß der Hauptfinanzier diverse staatliche Stellen sind.
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