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Falsche Flaggen

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Meine Güte. Jetzt auch noch Herbert Reul. Ausgerechnet Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister, der die Aktivisti im Hambacher Forst vor ein paar Jahren am liebsten eigenhändig von den Bäumen gehauen hätte, hat jetzt das Prinzip "Demonstration" für sich entdeckt. "Heute sagen wir zusammen Halt gegenüber Populisten und Menschenhassern", soll er in seinem Heimatort Leichlingen verlautbart haben. Die "Nordstadtblogger" aus Dortmund zitieren Reul im Hinblick auf die AfD sogar mit einem Satz, der gewisse Selbstkritik erahnen lässt: "Wir haben alle Verantwortung dafür, dass es so in die Grütze gegangen ist." Auch die CDU.

Irgendwie seltsam, wenn sich Weltbilder verschieben. Das haben auch die Autor:innen der ZDF-Satire-Sendung "Anstalt" durchmachen müssen, die nächste Woche zehnjähriges Jubiläum feiert. "Am Anfang sind wir ja auch unter der Flagge gesegelt, dass wir Dinge sagen wollen, die im Mainstream nicht vorkommen", sagt Anstalt-Drehbuch-Autor Dietrich Krauß. "Aber das ist heute ja die reinste Mainstream-Position."

Derweil demonstrierten am Wochenende in Freiburg wieder 35.000 Menschen für Demokratie und Menschenrechte. In Ravensburg waren es nicht so viele, dafür aber solche, die sonst eher keine laute Stimme haben: Etwa 40 Menschen mit Behinderung haben dort gegen die AfD demonstriert. Und sich beschwert! "Uns hört nie einer zu", sagt eine junge Frau aus leidlicher Erfahrung.

Wem auch eher keiner zuhört: den Weinbäuerinnen, die in Südafrika unter schlimmen Verhältnissen Trauben ernten, die in flüssiger Form für allerhöchstens einen Appel ohne Ei in deutschen Supermärkten verscherbelt werden. Die Lieferkettenregeln der EU sollen nun eigentlich dafür sorgen, prekäre Arbeitsbedingungen zu bekämpfen. Doch die FDP im Bund blockiert gerade – zur Freude von Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), die das alles nicht so wichtig findet, schreibt unsere Autorin Johanna Henkel-Waidhofer in dieser Ausgabe. Eine "Bankrott-Erklärung", nennt sie das.

Dafür hat sich die grün-schwarze Landesregierung eines anderen sehr wichtigen Themas angenommen: Landesbeschäftigte dürfen nun nicht mehr gendern. Host mi!, würd der Bayer sagen. Unsere Kolumnistin dagegen fragt sich: "Und wenn sich Stationsleiter Peter weigert, das Verbot einzuhalten und trotzdem weiter gendert?" Kommt er dann in den Gender-Knast nach Stammheim?

Gesundheitsminister Manfred Lucha sei jedenfalls zur Vorsicht geraten. Wo auch immer er über Pflege spricht, macht er den Witz, er sei ja selber gelernte "Krankenschwester", hihi. Lucha ist gerade dabei, eine Pflegekammer im Land durchzudrücken. Und bedient sich dazu eines pseudo-demokratischen Tricks. Oder muss es Trick_in heißen? Trick*innen ... Trick und Track, Trecker:innen ... Entschuldigung, was wollen Sie denn mit den Handschellen? Hallo? Ahhh!! Hände weg! Hilfe, nicht in den Genderknast ... ahhhh ...

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