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Prost!

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Kenner des deutschen Konservatismus waren nicht überrascht: Nur kurz nachdem CDU-Chef Friedrich Merz den Weihnachtsbaum zum Bestandteil deutscher Leitkultur erklärt hatte, legte er nach: Auch das Silvesterfeuerwerk, das Herrengedeck (Bier plus Korn) und der Neujahrskater sollen zur Leitkultur gehören, und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sekundierte umgehend: "Wer am 1. Januar nicht mit brummendem Schädel und nach Schwefel riechenden Händen aufwacht, sollte sich ernsthaft fragen, ob er Teil unserer Gesellschaft sein will. Wer unsere Werte nicht teilt, hat sich das falsche Land ausgesucht." Selbstverständlich fand dies alles auch Eingang in das neue CDU-Grundsatzprogramm. Nicht aber das Bleigießen und das für jede deutsche Kommune verpflichtende Aufstellen einer Prinzengarde, obwohl Andreas Rödder, der frühere Leiter der Fachkommission "Wertefundament und Grundlagen der CDU", auch dies vorgeschlagen hatte. Rödders Historikerkollege Sönke Neitzel merkte allerdings an, dass sich Deutschland im Dienste einer gesteigerten Wehrhaftigkeit in Zukunft verstärkt auch mit diesen beiden Themen befassen müsse. Hicks!

Spätestens jetzt haben Sie's gemerkt, liebe Leserinnen und Leser: nur Spaß! Alles Schnapsideen. Liegt vielleicht am vielen Schnaps, den wir, mit noch nicht mal ganz abgebautem Neujahrs-Restalk, zur Feier unserer schnapszahligen Ausgabe gekippt haben. Prösterchen! Aber jetzt im Ernst, stocknüchtern wie immer haben wir uns in Nummer 666 nicht nur ganz ernsthaft mit dem befasst, was wirklich im neuen CDU-Grundsatzprogramm steht – Spoiler: schöner wird es dadurch nicht –, sondern auch damit, was es denn zahlensymbolisch auf sich hat mit der 666, warum sich diese ganz schön böse Zahl und das mit ihr verbundene okkulte Gedöns gerade im Metal-Genre großer Beliebtheit erfreut. Und wo wir gerade schon bei Okkultem und Aberglauben sind, haben wir das Thema Tarot-Karten gleich mitgenommen – die ein neuer Prachtband aber eher entmystifiziert.

Wenn Sie jetzt schon langsam Angst kriegen: Nein, ein Horoskop haben wir weder in dieser Ausgabe noch werden wir in Zukunft haben. Denn was das angeht, halten wir es ganz mit dem guten alten Teddy Adorno: "Genährt wird insbesondere der Narzißmus. Wenn der Zeitungsastrolog die Qualitäten und die Chancen seiner Leser rühmt, sie als außerordentliche Persönlichkeiten hinstellt, riskiert er Albernheiten, von denen es schwerfällt, sich vorzustellen, daß sie vom Dümmsten für bare Münze genommen werden könnten; aber der Schreiber spekuliert auf die mächtigen libidinösen Ressourcen der Eitelkeit. Ihr ist jedes Mittel der Befriedigung recht." Auch wenn das für Adorno-Verhältnisse irritierend kurze Sätze sind: Wo er recht hat, hat er recht.

Nichts mit Wahrsagerei und Hokuspokus hat natürlich zu tun, auf was sich der Leiter der einköpfigen Kontext-Fachkommission "Zukunftsperspektiven", Cornelius W.M. Oettle, im neuen Jahr freut. Der titelgebende "Nobelpreis für Dieter Nuhr" gehört dabei übrigens zu den weniger aufregenden Ereignissen.

Auch wenn wir eigentlich davon abraten: Wer es mal wieder nicht lassen konnte und Vorsätze fürs neue Jahr gefasst hat, könnte vielleicht hoffnungsvoll nach Dänemark blicken. Dessen Königin Margrethe II., ohnehin eine der klügsten und entspanntesten unter den oft sehr nervigen europäischen Rest-Monarchen, hat es noch mit 83 Jahren geschafft, mit dem Rauchen aufzuhören. Und dass sie jetzt auch noch ziemlich unerwartet ihre Abdankung bekannt gegeben hat, könnte vielleicht Anlass für einige neue Vorsätze sein: Zu wissen, wann es gut ist, ist eine leider nicht allzu weit verbreitete Eigenschaft. Auch wenn für 2024 eher einige Politiker:innen Sorgen machen, die noch gar nicht in Ämtern sind. In diesem Sinne: frohes neues Jahr!

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