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Böhmermann, Wallraff und wir!

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Berichterstattung verbieten zu wollen, kann nach hinten losgehen. Seit nunmehr fünf Jahren befindet sich unsere Redaktion in einem Rechtsstreit mit dem ehemaligen Mitarbeiter von zwei AfD-Abgeordneten. Und durch den Versuch, den Artikel aus dem Netz zu klagen, bekam der Sachverhalt eine Reichweite, von der wir nie zu träumen gewagt hätten. Vergangenen Freitag schaffte es der Fall sogar in das "ZDF Magazin Royale" mit Jan Böhmermann – und seitdem haben allein auf Youtube schon mehr als eine Million Menschen das Video zur Sendung angeschaut.

Zum Nachschauen: Kontext im "ZDF Magazin Royale" ab Minute 16:04.

Thema war die gute alte Cancel Culture. Allerdings nicht so, wie sie Dieter Nuhr oder Thomas Gottschalk beklagen. Sondern bezogen auf Angriffe gegen die Pressefreiheit, verübt von – so das ZDF – "schicken Kanzleien von Medienanwälten, die im Auftrag von Mächtigen mit kostenintensiven Klagen drohen". Im Mittelpunkt stand dabei der Jurist Ralf Höcker, dessen Kanzlei den besagten Ex-Mitarbeiter seit Jahren gegen Kontext vertritt. Die Folgen: Nicht nur hat uns dieser Rechtsstreit die überwältigende Solidarität einer Community vor Augen geführt, die uns mit ihrer Spendenbereitschaft ermöglicht hat, das Prozesskostenrisiko in Höhe von etwa 100.000 Euro einzugehen. Die Klage war auch hilfreich bei der Demokratiepflege. Denn dank der zusätzlichen Aufmerksamkeit wissen nun sehr viel mehr Menschen, wie das Personal im Umfeld der rechtsnationalen Partei mitunter denkt. Nachzulesen hier.

Die ganze Folge des "ZDF Magazin Royale" ist uns ein riesiges Freudenfest. Denn nach unserer Chefredakteurin Anna Hunger hatte dort auch ein gewisser Günter Wallraff seinen Auftritt. Genau, Kontext in einer Sendung mit dem Günter Wallraff, der Investigativlegende, wie cool ist das denn?! 

Deep Pizza und Hitlerando

Dass Menschen dazu neigen, die Meldungen für wahr zu halten, die ihr bestehendes Weltbild stützen, ist zwar keine ganz neue Erkenntnis. So formulierte der Soziologe Robert Kurz schon 1999, dass das postmoderne Beliebigkeitsdenken "dem medialen oder ideologischen Schein genauso viel Tatsachengehalt wie dem realen Sein" zumessen kann und der "Unterschied zwischen Realität und Inszenierung" immer unbedeutender zu werden droht. Doch mit Blick auf technische Entwicklungen und das Potenzial, mit Hilfe Künstlicher Intelligenz in ganz neue Dimensionen der Desinformation vorzudringen, ist zu befürchten, dass der politische Meinungsstreit in naher Zukunft noch gruseligere Formen annehmen wird als heute.  

Einen Vorgeschmack liefert der Pizza-Fake vom jüngsten Parteitag der Grünen in Karlsruhe. Vergangenen Montag kursierte ein angebliches Foto, das ein paar Sonnenblumen und etliche Pizzen zeigt, die unaufgegessen auf Tischen, aber auch auf dem Boden herumliegen. Schaut sie euch an, die dummen Heuchler-Grünen, die einfach so Essen verschwenden, war in unzähligen Variationen zu lesen – obwohl der Fake mit minimaler Medienkompetenz eigentlich leicht durchschaubar gewesen wäre.

Dass "erschreckend viele" auf das KI-generierte Bild hereingefallen sind, stellt der Journalist Lars Wienand fest – und teilt auf der Plattform X (früher Twitter) auch Beiträge, die die Leichtgläubigkeit der Netzgemeinde auf die Schippe nehmen. Mit dabei ist ein Posting unserer Kolumnistin Elena Wolf, das wir niemandem vorenthalten wollen. Zusammen mit einem – für manche womöglich täuschend echt aussehenden – KI-Bild schreibt sie: "War zufällig am Wochenende in Karlsruhe unterwegs und habe Adolf Hitler in einem grünen Anzug auf einer Rikscha Pizza in die Messehalle ausfahren sehen das wars liebe Grüne". 

Wer sich dafür interessiert, was auf dem Parteitag wirklich vorgefallen ist, kann das bei unserer Autorin Johanna Henkel-Waidhofer nachlesen


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5 Kommentare verfügbar

  • Ks
    am 01.12.2023
    Antworten
    Ich finde den Kommentar von Gensch ok.

    Früher habe ich Böhmermann auch gerne angeschaut, war ein pfiffiges Format. Jetzt bedient er auch nur noch die Erwartungen seiner Zuschauerschaft; "Politsatireclown" (FAZ) passt schon leider ganz gut.

    Sehr zum nachdenken anregend fand ich den Artikel…
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